NOTES #9
Wissen ist nochmal was?
Ein Vorschlag zur Entlastung der Unternehmen vulgo Entbürokratisierung.
Da kommt Post von der Nachfolgeorganisation der GEZ an den Schreiber dieser Zeilen, der im Übrigen privat und mit Firma (nicht mit den Windparks!, die müssen nämlich nicht) brav seine Rundfunkgebühren zahlt: Er möge doch bitte für seine freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit die Betriebsstätte melden und gegebenenfalls Rundfunkgebühren zahlen. Nein, damit ist nicht die Solaranlage auf dem Dach gemeint. Die gehört der Frau des Hauses, und es muss dafür auch kein Gewerbe mehr angemeldet werden.
Es geht um die Tätigkeit als Publizist, die der Mann an den Tasten nicht lassen kann. Gibt sogar manchmal dafür ein bisschen Geld. Dafür ist das traute Heim im Süden Berlins eben auch Betriebsstätte und die muss nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) – ich liebe das Deutsche für seine zusammengesetzten Wörter, und das Wort ist mindestens meine Nr. 2 hinter Metalllamellenschlitzverschluss. Also, die muss angemeldet werden, und zwar, wie der beherrschte Herr von der Ex-GEZ am Telefon mit größter Bestimmtheit mitteilt, auch dann, wenn keine weiteren Rundfunkgebühren anfallen. Das ist nämlich dann der Fall, wenn man für die Betriebsstätte bereits Rundfunkgebühren zahlt, weil sie identisch ist mit dem Wohnsitz. Ein Blick in den Vertrag bestätigt beides. Und ein Blick auf das Publizistenwesen zeigt, dass das recht häufig der Fall ist.
Mit anderen Worten, man beschäftigt also Leute damit und gibt Geld dafür aus, Datenbanken zu füllen, Briefe zu versenden, Daten zu verarbeiten, also Formblätter zu entziffern, die jemand entnervt zugeschmiert hat, und sie auszuwerten, muss Leute schulen, die Rundfunkgebührenzahler telefonisch beruhigen, was zu nichts Weiterem führt als den Bestand an Daten, mit denen keine Gebühren generiert werden, auszuweiten? Scheint so zu sein.
Womit ich endlich beim Thema wäre: Stromsteuer. Stromsteuer gibt’s schon länger. Seit 2016/17 nun schlägt sie verstärkt in den Erneuerbaren durch, weil die Hauptzollämter – wer jetzt Gebirgs- und Schmugglerassoziationen hat, möge sie gleich verdrängen – sich seitdem verstärkt auf die Branche gestürzt haben. Hintergrund ist, dass die Windparkfirmen beispielsweise sich über die sogenannte Versorgererlaubnis von der Stromsteuer befreien ließen (wenn sie so schlau waren, die Versorgererlaubnis an den Versorger weiterzuleiten), aber die Meldungen, die sie machen sollten, haben liegen lassen. War ihnen zu aufwendig und zu kompliziert, und die Steuerberater wollten nie mit den Hauptzollämtern zu tun haben.
Also, was passierte? Das Gesetz wurde geändert, die Versorgererlaubnisse wurden eingezogen, die Windparks mussten wieder Stromsteuer zahlen, um diese sich später wieder erstatten zu lassen. Superidee.
Im zweiten Zug wurde das Gesetz noch mal geändert, weil man merkte, dass Windparks nicht nur Strom aus dem Netz bezogen, sondern auch selbst erzeugten verbrauchen. Schlimmer noch, in Mischparks, bei denen mehrere Anlagen von mehreren Gesellschaften gemeinsam installiert sind, tauschen sie Strom über das interne Netz aus. Wer da von wem wie viel Strom bezieht, wollten und sollten die Hauptzollämter wissen, und auch noch, wie viel Strom so eine Windenergieanlage überhaupt so verbraucht.
Auf die beiden letzten Fragen kann man bis heute nur eine Antwort geben: keine Ahnung! Es gibt bestenfalls Schätzungen über den Verbrauch einer Anlage. Und die Lieferbeziehungen (wer liefert an wen) sind unklärbar, weil alle Anlagen, die im internen Netz gerade produzieren, an alle Anlagen liefern, die gerade welchen verbrauchen.
Anders gewendet: Die Hauptzollämter wollen Daten haben, die die Windparks bis heute nicht liefern können, zumindest nicht als gemessene Daten. Was also tun? Man denkt sich was aus, installiert vielleicht ein Programm, das das, was man sich ausgedacht hat, auch umsetzt (kostet aber), und schickt die so gewonnenen Daten ans Amt. Das ist zufrieden, hat Daten – die aber eigentlich für die Katz sind. Doch man soll nicht meckern. Liest man doch heute in der Zeitung, dass Daten wichtig sind für die politischen und administrativen Entscheidungsträger, weil sie ansonsten bei ihren Entscheidungen völlig im Dunkeln tappen.
Okay, auch wenn mir bis heute niemand hat sagen können, was die Hauptzollämter oder übergeordnete Instanzen mit den Daten aus den Windparks machen, hat das ja vielleicht einen Sinn, den man mir noch erklären kann. Und wenn die Daten eigentlich keiner braucht, dann kann man das ganze Getue darum, das vor allem viel Geld verbraucht und Leute verschleißt, einfach aufgeben. Wissen, das niemand braucht und das zu nichts führt, kann man auch nicht wissen dürfen.
Das Ganze hat aber noch einen zweiten Teil, und da geht’s direkt ums Geld: Das Stromsteuergesetz sagt nämlich, dass Strom, der zur Erzeugung von Strom verwendet wird, von der Stromsteuer befreit ist. Soll also heißen, auf den Strom, den die Windparks von außen beziehen, den sie selbst produzieren und von anderen Windenergieanlagen bekommen, brauchen sie keine Stromsteuer zu zahlen. Da sie nun aber für den Strom, den sie aus dem allgemeinen Netz beziehen, Stromsteuer bezahlen, müssen sie die Erstattung dieser Steuer jedes Jahr beantragen. Sie haben damit bis zum Jahresende des Folgejahres Zeit, und sie müssen die Meldung korrekt machen. Termin verpasst, Pech gehabt. Formular falsch ausgefüllt, Pech gehabt. So kann man selbstverständlich auch Steuern generieren.
Aber selbst wenn man – ach ja, ich weiß, Sie wissen das alles – die Formulare richtig ausfüllt und sogar die Daten, die gleich mitverlangt werden, korrekt (besser: plausibel genug) angibt, fängt die Diskussion darüber an, ob denn überhaupt der ganze Strom, den eine solche Anlage verbraucht, zur Stromerzeugung verwendet wird. Und an dieser Stelle werden Hauptzollamtsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen zu Sophisten (das gendere ich nicht, weil’s eine unsympathische Eigenschaft ist): Denn da steht „Erzeugung”! Das aber heißt, dass zum Beispiel der Strom für die Aufzüge und die Beleuchtung der Anlage nicht von der Stromsteuer befreit ist. Oder auch der Stromverbrauch von Trafos usw. usw.
Wiederum an dieser Stelle geht dem Windparkbetreiber und der Windparkbetreiberin der Hut hoch, denn wie soll ich eine Anlage ohne Aufzug und Beleuchtung betreiben und wie soll ich Strom ohne Trafo oder Umrichter ins Netz bekommen? Dazu mache ich das Ganze ja. Eine endlose Diskussion und auch hier ein schier endloser Text, der sich am Ende um unglaublich wenig Geld dreht. Wenn’s etwa um 2.000 Euro Stromsteuer geht, betreffen die Abzüge irgendetwas zwischen 2,5 und 5 Prozent, je nachdem, wie kritisch die Angaben hinterfragt werden und wie stark ein Hauptzollamt hinter dem Geld her ist. Es bleibt aber irgendwas zwischen 50 und 100 Euro, um die es geht. Pro Anlage, pro Jahr. Und wenn’s mal 2.000 Euro sind? Auch nicht die Welt.
Lange Geschichte, kurzer Sinn: Wenn der Staat Geld sparen, Personal an anderer Stelle sinnvoll einsetzen will (und sei es in einer Kita, sollte sich jemand aus dem Hauptzollamt umschulen lassen wollen, oder bei der Baugenehmigungsbehörde), und wenn der Staat auf Daten über den Verbrauch und den Austausch von Strom in internen Netzen verzichten kann, dann lasst uns doch – wenigstens für die Solar- und Windbranche – das Verfahren radikal vereinfachen: Die Projekte werden von der Lieferung von Daten befreit, sie beziehen zudem den Strom aus dem Netz steuerfrei, die Versorger erheben aber statt der 20 Euro pro Megawattstunde Stromsteuer einen Bruchteil, sagen wir 2 Euro, den sie an die Hauptzollämter abführen. 10 Prozent eben deshalb, damit die Mengen, die Wind- oder Solarparks selbst verbrauchen oder von Schwesteranlagen beziehen, mit abgedeckt sind. Oder auch 10 Prozent, damit jeder Missbrauch ausgeschlossen ist und die liebe Finanzamtsseele Ruhe hat.
Dann können sich die Kolleginnen und Kollegen, die sich derzeit in den Betrieben an der Stromsteuer aufreiben, anderen, sinnvollen Beschäftigungen zuwenden. Und die Hauptzollämter können ihr Personal radikal abbauen und an andere Behörden geben, die dringend Personal brauchen. Das spart Miete, Personalkosten und Nerven – und wäre eine wunderbare Form der Entbürokratisierung. Bei der nächsten Runde Stromsteuer vielleicht mal probieren.
PS: Auf Bitten des BWE hat die REZ überschlagen, über wie viel Geld wir eigentlich reden. Hier unsere Schätzung:
Aufwand jeweils pro WP/Jahr:
– Sichtung der Anforderungen und Ausfüllen Fragebögen: ca. 2 h
– Erstellen und Auswertung der Daten pro Windpark: externer Bezug: 2 h (Stromsteuerbelegheft)
– Erstellung und Auswertung der Daten Eigenverbrauch: 4 h
– Erstellung des Dokuments zum Verfahren und Anpassung an die gegebenen Zustände: 4 h
– Korrespondenz mit Hauptzollamt bei eingearbeiteten Sachbearbeitern: 1 h
– Bei nicht eingearbeiteten Sachbearbeitern: 6–12 h
– Bei Fehlern oder Mängeln der Dokumente oder Nachfragen: 12–24 h
– Kosten Software: 1.800 Euro/WEA/Jahr
Aufwand zwischen 13 und 48 Stunden zu je 80 Euro Stundenkosten = 1.040 Euro bis 3.840 Euro nur aufseiten des Betreibers, der Aufwand kann durch einen Drittanwender gemindert werden, es bleibt aber weiterhin Aufwand beim Betreiber. Bei größeren Windparks mit mehr Windenergieanlagen, und insbesondere in Mischparks, ist der Aufwand nochmals um bis zu 50 Prozent höher, geht also bis zu 5.500 Euro.
Damit sind die Kosten auf der Seite des Hauptzollamtes nicht betrachtet. Analog dazu kann der Prüfaufwand gegebenenfalls ebenso hoch angesetzt werden.
Gegenrechnung:
Ein Windpark mit neun WEA und einer Gesamtleistung von 32 Megawatt und einer Durchschnittsjahresproduktion von 50.000.000 kWh entnimmt aus dem Netz ca. 300 Megawattstunden Strom und zahlt darauf ca. 6.150 Euro Steuern.
Um also eine Steuer von 6.150 Euro, von der die Windparks befreit sind, zurückerstatten zu lassen, müssen Kosten von 1.000 Euro (einfacher Aufwand, bei Softwarenutzung ca. 2.500 Euro) bis 5.900 Euro aufgewendet werden, aber:
– mache ich einen Formfehler, entfällt die Erstattung,
– wird die Berechnung der zu erstattenden Beträge nicht anerkannt, entfällt die Erstattung, oder
– wird das Verfahren nicht anerkannt, entfällt die Erstattung.
Nicht betrachtet ist der Aufwand, wenn die Hauptzollämter der Ansicht sind, dass nicht alle Verbräuche der Anlagen von der Stromsteuer befreit sind, weil sie nicht zur Stromerzeugung dienen, unter anderem Stromverbräuche von Umrichtern, Beleuchtungen und Aufzügen. Diese Verbräuche werden nicht gemessen, sondern können nur abgeschätzt werden. Wenn man eine Quote von 5 Prozent des externen Bezugs annimmt (unter der Voraussetzung, dass die Rechtsansicht der Hauptzollämter korrekt ist), dann wäre für den fraglichen Windpark eine (halbwegs legitime) Steuerlast von 307,50 Euro fällig.